PANORAMA
Freitag, 20. August 2010
"i-Tüpfelchen" vor 30 JahrenMessner besteigt allein Mount Everest
Er begeistert, er verärgert, er polarisiert - und er hat Rekorde gebrochen wie kein anderer. Vor 30 Jahren stieg Reinhold Messner als erster Mensch alleine auf den Mount Everest.
Ohne Exponiertheit kein Abenteuer, lautet Messners Credo. Er habe die "Gnade der frühen Geburt" genossen. "1980 war es noch möglich, am Mount Everest Abenteuer zu erleben." Möglichst wenig Hilfsmittel, das war stets sein Maßstab. "Wenn Sie heute allein auf den Everest gehen wollen, stolpern Sie überall über Fixseile und Lager - es geht gar nicht mehr."
Mehrere hundert Menschen steigen heute pro Saison über zwei Normalwege auf. "Da bauen die Sherpas eine Art Klettersteig und wenn die Piste fertig ist, führen die Reiseunternehmen die Gruppen zum Gipfel. Es ist anstrengend, es ist gefährlich - aber nicht zu vergleichen mit dem, was es früher war." Der Müll bleibe liegen, dieses Jahr hätten Helfer sechs bis sieben Tonnen heruntergeholt. Er hoffe, dass das Bewusstsein wachse: "Das ist das Minimum, dass wir nichts liegen lassen."
Schluchzen auf Tonband aufgezeichnet
Schon vor seinem Alleingang brach Messner mit Peter Habeler ein Tabu: 1978 schafften die beiden den Everest ohne Sauerstoffgerät. Ärzte hatten gewarnt, das werde zu Hirnschäden führen. Wahrscheinlich war Messner damals auch der erste, der ein Tonband auf den höchsten Berg mitnahm. Nicht, um das Pfeifen des Sturmes aufzunehmen, sondern um seine eigenen Gedanken darauf zu sprechen. Geistige Höhenflüge seien das nicht gewesen, räumte er später ein. Auch sein Schluchzen am Gipfel schnitt er mit. Die Aufnahmen gingen zum Teil in das Buch "Expedition zum Endpunkt" ein, später erschienen sie auf CD.
Ruhelos suchte der Südtiroler immer wieder die Grenzerfahrung. Er schaffte zahlreiche Erstbegehungen, etwa vor 45 Jahren die erste direkte Begehung der Ortler-Nordwand. Messner erklomm als erster Mensch alle 14 Achttausender, den 25. Jahrestag dieses Erfolgs kann er im nächsten Jahr feiern. Mit Arved Fuchs marschierte er 2800 Kilometer ohne Hunde- oder Motorschlitten über den Südpol, die Expedition endete 1990, vor 20 Jahren.
Tragödie am Nanga Parbat
Ein weiterer Jahrestag: Vor 40 Jahren bestiegen er und sein Bruder Günther als Erste den Nanga Parbat über die Rupalwand, die höchste Steilwand der Welt. Günther starb, die Expedition und der Verlust prägten Messners Leben. Er verlor dabei auch mehrere Zehen und stieg vom Klettern aufs Höhenbergsteigen um. Viel später überwarf er sich mit Ex- Kameraden von damals. Seit Jahren schwelt der Streit, was am Nanga Parbat geschah. Gerichtsprozesse brachten weder Klarheit noch Frieden. Auch der im Januar gestartete Vilsmaier-Film "Nanga Parbat" über die Expedition trug nicht zur Versöhnung bei - im Gegenteil.
Größte Leistung: Überleben
Übersteigerter Ehrgeiz und Egoismus hätten ihn immer wieder getrieben, sagen Kritiker. Messner selbst sagt, er habe eben hohe Ansprüche an sich selbst. Seine größte Leistung sei es gewesen, zu überleben. Andere, die vielleicht besser kletterten, seien nie bekannt geworden, weil sie früh starben.
Am Mount Everest sei er von allen Abenteuern am meisten ausgeliefert gewesen. "Allein am Berg. Es gab keine Spur, kein Zelt, kein Fixseil. Ich war am Ende unendlich weit weg von der Sicherheit", erinnert er sich. "Ich hatte ganz oben immerzu Angst, dass meine Spur verweht, war ich doch beim Abstieg auf die Spur angewiesen - sonst hätte ich mich da oben verloren." Fünf Tage dauert sein Alleingang. "Das ist eine lange Zeit. Im Unterbewusstsein ist das wie ein Monat."
Messner will Spielfilme drehen
Als seinen 15. Achttausender bezeichnet er sein Museumsprojekt: fünf Bergmuseen unter dem Titel "Messner Mountain Museum". "Ich mach' nächstes Jahr mein letztes Museum fertig in Bruneck in Südtirol - und werde es dann jungen Leuten übergeben." Das nächste Ziel: "Anschließend möchte ich anfangen, Geschichten über die Berge zu erzählen - über die große Leinwand, das heißt also Spielfilme." Das sei eine Herausforderung wie allein auf den Everest zu steigen: Es brauche tausende kleiner Schritte, um zum Ziel zu kommen.
Sabine Dobel, dpa(Quelle:ntv)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen