ORTENBERG UNTER SCHOCKTod vor dem Schultor
Von JUTTA RIPPEGATHER
Hausmeister und Schulleitung finden vor der Gesamtschule Konradsdorf in Ortenberg-Selters die Leiche eines vermutlich 20-jährigen Mannes. Foto: Sascha Rheker
Das Schulgelände ist mit Flatterband abgesichert. Menschen in weißen Schutzanzügen suchen den Tatort in Ortenberg-Selters auf Spuren ab. Es ist 11 Uhr und Sprecher der Polizei in Friedberg, Jörg Reimers, informiert über den aktuellen Erkenntnisstand: Morgens früh um 7 Uhr fanden der stellvertretende Schulleiter und Hausmeister direkt vor dem Haupteingang der Gesamtschule Konradsdorf die Leiche eines rund 20 Jahre alten Mannes. „Sie wies schwerste Kopfverletzungen auf.“
Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass sich der junge Mann das Leben genommen hat. Er muss von dem rund 15 Meter Heizungs-Schornstein aus Chrom gestürzt sein, der sich unmittelbar neben dem Haupteingang befindet und an dem noch die Leiter steht, über die er hinaufgeklettert sein muss. Reimers nennt noch ein Detail, das Fragen aufwirft: Auf dem Podest am Kopf des Schornsteins fanden die Ermittler einen „waffenähnlichen Gegenstand“, der sich als Softairwaffe herausstellte. Das bei jungen Männern beliebte Spielzeug ähnele optisch einer Maschinenpistole. Was hatte der junge Mann damit vor, als er mit einem Auto mit dem Kennzeichen FB in das abgelegene Schuldorf kam, in dem 1600 Schüler unterrichtet werden?
„Das ist ja keine Waffe, mit der man jemand töten kann“, sagt Nina. Die 15-Jährige ist aus zwei Gründen zurückgekommen: aus Neugierde und weil sie in der Hektik heute früh ihre Sporttasche an der Schule hat stehen lassen. „Wir kamen heute früh mit dem Bus, und es hieß, wir sollen sofort wieder heimfahren“, sagt die Elftklässlerin. „Wir waren geschockt.“ Noch immer wisse sie nicht, was genau geschehen sei. Die Gerüchteküche brodele - „per Facebook, Telefon und SMS ging das ganz schnell“.
Schüler sind geschockt
Offenbar war auch der junge Mann selbst in dem sozialen Netzwerk aktiv. Ein etwa Gleichaltriger kommt vor die Schule und erzählt der Polizei, dass er per Facebook eine Abschiedsnachricht von seinem Freund erhalten habe. Andere soll er per SMS über seinen bevorstehenden Suizid informiert haben. Weinend steigt der Freund wieder ins Auto.
Auch Alexander, Max und Iwan wollen wissen, was an ihrer Schule vorgefallen ist. Sie sind mit den Fahrrädern gekommen. „Wir wollen gucken, was los ist.“ Um 7.15 Uhr waren die 13-Jährigen heute früh mit dem Bus angekommen. „Wir durften noch nicht mal mehr aussteigen“, sagt Max. „Das geht mir nicht aus dem Kopf heraus“, sagt Alexander und dreht sich um. „Guckt mal, erst jetzt kommt der Leichenwagen.“
Wie sie mit den Kindern das Ereignis besprechen werden, darüber haben sich auch Barbara Preusch und Loretta Rispoli Gedanken gemacht, bei Lehrerinnen an der Förderschule direkt nebenan. „Man kann das nicht ignorieren“, sagt Preusch und denkt daran, mit ihren Schülern zunächst gemeinsam die Berichterstattung im Fernsehen anzuschauen und danach mit ihnen zu reden. „Morgen ist in der ersten Stunde jedenfalls nicht Englisch“ – das weiß Preusch schon jetzt.
Um 12 Uhr wartet der Leichenwagen immer noch darauf, dass die Polizei ihre Arbeit beendet hat. Ein Abschleppwagen kommt, um die dunkle Limousine abzuholen, die vermutlich den Eltern des Toten gehört. An diesem Tag werden noch viele Menschen kommen, um sich selbst ein Bild zu machen. Schaulustige, aber auch Freunde und Angehörige des jungen Mannes, der mit seiner Tat viele junge Leute verstört hat. „Mein Bruder war richtig schockiert“, sagt Max. (FR)
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