23. JULI 2012
EXTREMSPORTLER FELIX BAUMGARTNERDie verrückte
Reise zurück zur Erde
Von NORBERT MAPPES-NIEDEK
Felix Baumgartner beim Sprung vom Taipei 101-Tower. Foto: REUTERS
Wenn es das Gefühl des freien Falls war, das Felix Baumgartner zu seinem Sprung aus 36 Kilometern Höhe bewogen hat, dann wird es eine Enttäuschung. Bei Joe Kittinger jedenfalls, seinem großen Vorspringer, mochte sich das Gefühl im Jahr 1960 nicht einstellen. Er fühlte sich eher, als hätte er auf dem Weg nach oben die Haltestelle verpasst und wäre aus Versehen im Weltall gelandet. Er fiel nicht, als er aus seiner Kapsel ausstieg. Er schwebte nur. Das heißt, er fiel schon – 31 332 Meter tief. Aber er merkte nichts davon.
In der Stratosphäre wirkt, anders als im Weltall, die Erdanziehung noch fast genauso stark wie auf der Erde. Was fehlt, sind die Wolken, die man passiert und die Berge, die immer näher kommen. Es fehlt auch der Wind, der einem um die Ohren rauscht. Es fehlt eigentlich alles hier, in 36 Kilometern Höhe. Unten sieht man eine Landkarte, oben einen pechschwarzen Himmel. Schwarz, weil es nichts gibt, worin das Sonnenlicht sich brechen könnte. Denn es fehlt hier auch die Luft.
Irgendwann in den nächsten Tagen oder im August will der 43-jährige gelernte Kfz-Mechaniker Baumgartner mit einem Heliumballon höher aufsteigen als jeder Mensch vor ihm. Alles ist minuziös geplant, nur der Tag nicht. Es muss wolkenlos und windstill sein, eine Bedingung, die vor allem im sommerlichen Arizona gegeben ist. Dort, in den USA, sind auch die Raumfahrtexperten konzentriert, die man dazu braucht. Aufsteigen wird der Extremsportler mit einer kleinen Raumkapsel, die unten am Ballon hängt. Dann, so haben es die Experten errechnet, wird es fünfeinhalb Minuten dauern, bis sein Fallschirm ihn fängt und später sanft in den Wüstensand von Arizona setzt.
Am 26. November 2005 erreichte der Inder Vijaypat Singhania in 21 027 Metern den Höhenrekord für Heißluftballons.
Der Japaner Shinichi Ito glitt am 24. September 2010 in einem Fledermaus-Anzug 16,4 Kilometer auf gerader Strecke durch die Luft, bevor er seinen Fallschirm öffnete.
Den Langstreckenrekord für Drachenflieger hält Manfred Ruhmer. Am 17. Juli 2001 war der Österreicher 700,6 Kilometer unterwegs.
Die längste Reise mit einem Motorgleitschirm unternahm der Kanadier Benjamin Jordan, der vom 15. Mai bis zum 24. August 2009 sein Heimatland überquerte und dabei 8008 Kilometer zurücklegte.
Paul Thacker aus den USA gelang am 26. März 2009 mit 91,7 Metern der weiteste Sprung mit einem Schneemobil von einer Rampe: Weltrekord.
Den höchsten Sprung ins Wasser von einem Brett wagte am 30. August 1987 der Schweizer Olivier Favre: 53,9 Meter.
Veljko Rogosic aus Kroatien schwamm im August 2006 in 50 Stunden und 10 Minuten 225 Kilometer quer durch die Adria - die längste an einem Stück im offenen Meer ohne Flossen geschwommene Strecke.
Der Schweizer Freddy Nock spazierte am 29. Januar 2011 beim höchsten Hochseillauf in 3303 Metern über dem Meeresspiegel 572 Meter weit über ein Seil.
Reinhold Messner war nach der Besteigung des Lhotse am 16. Oktober 1986 der erste Mensch, der alle 14 Achttausender bezwungen hatte. Er war 1978 auch der erste, der den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät bestieg und 1980 der erste, der den höchsten Berg der Welt im Alleingang bezwang.
Der Norweger Erling Kagge erreichte am 7. Januar 1993 nach 1400 Kilometern in 50 Tagen als erster Mensch allein den Südpol.
Schneller war sein Landsmann Christian Eide am 13. Januar 2011. Bei der schnellsten Soloreise zum Südpol ohne fremde Hilfe benötigte er auf Skiern 24 Tage 1 Stunde und 13 Minuten.
Der erste bestätigte Fußmarsch rund um die Welt waren die 23 250 Kilometer des Amerikaners David Kunst vom 20. Juni 1970 bis zum 5. Oktober 1974.
Der Brite Vincent Cox beendete die schnellste Fahrradtour um die Erde nach 163 Tagen, 6 Stunden und 58 Minuten am 1. August 2010. Dabei hatte er 29 331 Kilometer mit Pedalkraft zurückgelegt.
Ohne es zu merken, wird der Mann aus dem Salzburger Land in diesen fünfeinhalb Minuten immer schneller fallen, wie ein Stern, der auch ständig fällt, der uns aber wie fest am Himmel angeschraubt vorkommt. Geplant ist, dass er als erster Mensch im freien Fall und ohne schützendes Flugzeug die Schallmauer durchbricht. In großer Höhe ist der Schall wegen der Kälte etwas langsamer als auf der Erde, aber immer noch über 1 000 Stundenkilometer schnell. Das merkt Felix Baumgartner dann schon: Der Schall könnte knallen wie eine Kanonenkugel.
Hat das linke Bein schon Schallgeschwindigkeit erreicht, der Kopf von Felix Baumgartner aber noch nicht, geraten Druckwellen in Kollision. Dabei kann jedes Objekt, auch Baumgartner, gewaltig in Turbulenzen geraten. Besondere Sorge mache ihm die Wechselwirkung der Schockwellen, sagt Jonathan Clark, einst Chef der Raumfahrtmedizin beim Space Shuttle der Nasa. „Das ist die größte Unbekannte.“ Gleich wiegelt Clark aber wieder ab. Da oben ist die Luft so dünn, sagt Clark, dass der Durchbruch durch die Schallmauer wohl kein „übertriebenes Wagnis“ sei.
So wie Clark pendeln die Experten alle zwischen Sensation und Sicherheit, zwischen Beunruhigung und Beschwichtigung, wenn man sie zu den Risiken des Fluges befragt. Das ist ganz im Sinn des österreichischen Getränkekonzerns Red Bull, der das Unternehmen sponsert. Der Brausehersteller spielt professionell mit solchen Ambivalenzen. Es kann nichts, es könnte aber alles passieren: Das ist die Botschaft.
Fallen wie ein Ahornsamen
Schallgeschwindigkeit sollte Baumgartner mindestens erreichen. Verfehlt er sie, kommt er über den Rekord des US-Testpiloten Kittinger kaum hinaus, und der liegt schon mehr als 50 Jahre zurück. Schnell soll Baumgartner also schon fallen, doch nicht zu schnell. Dann nämlich wird der Mann zum Propeller und fällt wie ein Ahornsamen in immer schnelleren Umdrehungen zu Boden. „Dass Felix ins Trudeln kommt, ist eine reale Gefahr“, sagt Jonathan Clark. Passiert das, kann man nichts mehr tun. „Liegt die Achse der Drehung im Oberkörper, so sackt das Blut in die Füße, und er verliert das Bewusstsein. Liegt die Drehachse unten, könnten die Folgen Augen- und Hirnblutungen sein.“
Ins Trudeln gekommen war einst Joe Kittinger bei einem Testflug. Er hatte Glück: Die Achse lag oben, und er kam nur bewusstlos auf der Erde an. Der tödliche „Red out“, wie Clark das nennt, blieb ihm erspart.
Es gibt zwei Rezepte gegen das Todestrudeln. Das eine ist eine gute Flugtechnik, wie Fallschirmspringer sie entwickeln. „Die hat Felix“, sagt Clark. Das andere Rezept ist ein kleiner Fallschirm, der über einem hängt und wie ein Stabilisierungsanker unter einem Schiff wirkt. Er bringt Ruhe in die Bewegung, verlangsamt den Fall aber auch leicht. Deshalb kommt er nur als Lebensretter zum Einsatz. Er wird automatisch ausgelöst, wenn Felix Baumgartner sich sechs Sekunden lang jeweils mehr als 3,5 Mal pro Sekunde um seine Achse dreht.
Zwischen Hitze und Kälte
Wie die Astronauten trägt Baumgartner einen Druckanzug. Reißt der Anzug an einer Stelle, beginnen Baumgartners Körperflüssigkeiten zu kochen; zuerst der Speichel, zuletzt das Blut. Mit dem Luftdruck sinkt der Siedepunkt bis weit unter Körpertemperatur. Schützen muss der Anzug auch gegen die Kälte. In 36 Kilometern Höhe ist es mit minus 23 Grad noch verhältnismäßig warm. Richtig kalt wird es beim Eintritt in die obere Schicht der Atmosphäre. Dort hält das Ozon das Sonnenlicht ab, zugleich wird kaum Wärme von der Erde zurückgestrahlt und die Temperatur sinkt auf minus 56 Grad. So kalt ist es, dass der Ballon spröde wird wie eine Christbaumkugel und dass er bei zu starkem Wind auch genauso zerplatzt.
Der Ertrag des Fluges für die Wissenschaft wird eher bescheiden sein, auch wenn das so niemand sagen möchte. Hier und da wird etwas getestet – der Raumanzug oder Bewegungsabläufe für künftige Weltraumtouristen. Jonathan Clark verweist auf den Wert für die sogenannte Ferntherapie, bei der Arzt und Patient räumlich weit auseinander sind. Ein Monitorsystem unter Baumgartners Druckanzug versorgt die Kollegen am Erdboden mit allen nötigen Daten. Es kann auch von anderen Menschen „unter extremen Bedingungen“ genutzt werden, sagt Clark, von Extremsportlern, von Feuerwehrleuten oder beim Militär.
Drei Männer sind bei den gewagten Unternehmen des Sponsors schon ums Leben gekommen, zuletzt der Schweizer Basejumper Ueli Gagenschatz, als er vom Zürcher Sunrise-Tower sprang. Aber der Vorwurf, der Konzern treibe Menschen in den Tod, prallt an Red Bull ab. Felix Baumgartner springt schon seit 15 Jahren für die Firma – in Schluchten, von Bergen, Brücken oder vom höchsten Gebäude der Welt, den Petronas Towers in Kuala Lumpur. Ohne das Geld des Konzerns, das in die Sicherheit des Springers fließt, wären seine Sprünge wohl noch waghalsiger.
Verrückt ist der da oben, nicht die unten. Als Joe Kittinger 1960 mit seinem Ballon aufstieg, blies sich sein rechter Handschuh nicht auf. Er merkte es sofort. Als er oben ankam, war seine Hand bis auf das Doppelte ihres Volumens angeschwollen und zu nichts mehr zu gebrauchen. Er stieg trotzdem weiter und sprang. „Hätte ich das denen unten erzählt“, so Kittinger später, „dann hätten sie mir sofort befohlen, das Unternehmen abzubrechen.“ Das wäre ihm zu peinlich gewesen. (Frankfurter Rundschau)
23. JULI 2012
EXTREMSPORTLER FELIX BAUMGARTNERDie verrückte Reise zurück zur Erde
Von NORBERT MAPPES-NIEDEK
Felix Baumgartner beim Sprung vom Taipei 101-Tower. Foto: REUTERS
Wenn es das Gefühl des freien Falls war, das Felix Baumgartner zu seinem Sprung aus 36 Kilometern Höhe bewogen hat, dann wird es eine Enttäuschung. Bei Joe Kittinger jedenfalls, seinem großen Vorspringer, mochte sich das Gefühl im Jahr 1960 nicht einstellen. Er fühlte sich eher, als hätte er auf dem Weg nach oben die Haltestelle verpasst und wäre aus Versehen im Weltall gelandet. Er fiel nicht, als er aus seiner Kapsel ausstieg. Er schwebte nur. Das heißt, er fiel schon – 31 332 Meter tief. Aber er merkte nichts davon.
In der Stratosphäre wirkt, anders als im Weltall, die Erdanziehung noch fast genauso stark wie auf der Erde. Was fehlt, sind die Wolken, die man passiert und die Berge, die immer näher kommen. Es fehlt auch der Wind, der einem um die Ohren rauscht. Es fehlt eigentlich alles hier, in 36 Kilometern Höhe. Unten sieht man eine Landkarte, oben einen pechschwarzen Himmel. Schwarz, weil es nichts gibt, worin das Sonnenlicht sich brechen könnte. Denn es fehlt hier auch die Luft.
Irgendwann in den nächsten Tagen oder im August will der 43-jährige gelernte Kfz-Mechaniker Baumgartner mit einem Heliumballon höher aufsteigen als jeder Mensch vor ihm. Alles ist minuziös geplant, nur der Tag nicht. Es muss wolkenlos und windstill sein, eine Bedingung, die vor allem im sommerlichen Arizona gegeben ist. Dort, in den USA, sind auch die Raumfahrtexperten konzentriert, die man dazu braucht. Aufsteigen wird der Extremsportler mit einer kleinen Raumkapsel, die unten am Ballon hängt. Dann, so haben es die Experten errechnet, wird es fünfeinhalb Minuten dauern, bis sein Fallschirm ihn fängt und später sanft in den Wüstensand von Arizona setzt.
Ohne es zu merken, wird der Mann aus dem Salzburger Land in diesen fünfeinhalb Minuten immer schneller fallen, wie ein Stern, der auch ständig fällt, der uns aber wie fest am Himmel angeschraubt vorkommt. Geplant ist, dass er als erster Mensch im freien Fall und ohne schützendes Flugzeug die Schallmauer durchbricht. In großer Höhe ist der Schall wegen der Kälte etwas langsamer als auf der Erde, aber immer noch über 1 000 Stundenkilometer schnell. Das merkt Felix Baumgartner dann schon: Der Schall könnte knallen wie eine Kanonenkugel.
Hat das linke Bein schon Schallgeschwindigkeit erreicht, der Kopf von Felix Baumgartner aber noch nicht, geraten Druckwellen in Kollision. Dabei kann jedes Objekt, auch Baumgartner, gewaltig in Turbulenzen geraten. Besondere Sorge mache ihm die Wechselwirkung der Schockwellen, sagt Jonathan Clark, einst Chef der Raumfahrtmedizin beim Space Shuttle der Nasa. „Das ist die größte Unbekannte.“ Gleich wiegelt Clark aber wieder ab. Da oben ist die Luft so dünn, sagt Clark, dass der Durchbruch durch die Schallmauer wohl kein „übertriebenes Wagnis“ sei.
So wie Clark pendeln die Experten alle zwischen Sensation und Sicherheit, zwischen Beunruhigung und Beschwichtigung, wenn man sie zu den Risiken des Fluges befragt. Das ist ganz im Sinn des österreichischen Getränkekonzerns Red Bull, der das Unternehmen sponsert. Der Brausehersteller spielt professionell mit solchen Ambivalenzen. Es kann nichts, es könnte aber alles passieren: Das ist die Botschaft.
Ins Trudeln gekommen war einst Joe Kittinger bei einem Testflug. Er hatte Glück: Die Achse lag oben, und er kam nur bewusstlos auf der Erde an. Der tödliche „Red out“, wie Clark das nennt, blieb ihm erspart.
Es gibt zwei Rezepte gegen das Todestrudeln. Das eine ist eine gute Flugtechnik, wie Fallschirmspringer sie entwickeln. „Die hat Felix“, sagt Clark. Das andere Rezept ist ein kleiner Fallschirm, der über einem hängt und wie ein Stabilisierungsanker unter einem Schiff wirkt. Er bringt Ruhe in die Bewegung, verlangsamt den Fall aber auch leicht. Deshalb kommt er nur als Lebensretter zum Einsatz. Er wird automatisch ausgelöst, wenn Felix Baumgartner sich sechs Sekunden lang jeweils mehr als 3,5 Mal pro Sekunde um seine Achse dreht.
Der Ertrag des Fluges für die Wissenschaft wird eher bescheiden sein, auch wenn das so niemand sagen möchte. Hier und da wird etwas getestet – der Raumanzug oder Bewegungsabläufe für künftige Weltraumtouristen. Jonathan Clark verweist auf den Wert für die sogenannte Ferntherapie, bei der Arzt und Patient räumlich weit auseinander sind. Ein Monitorsystem unter Baumgartners Druckanzug versorgt die Kollegen am Erdboden mit allen nötigen Daten. Es kann auch von anderen Menschen „unter extremen Bedingungen“ genutzt werden, sagt Clark, von Extremsportlern, von Feuerwehrleuten oder beim Militär.
Drei Männer sind bei den gewagten Unternehmen des Sponsors schon ums Leben gekommen, zuletzt der Schweizer Basejumper Ueli Gagenschatz, als er vom Zürcher Sunrise-Tower sprang. Aber der Vorwurf, der Konzern treibe Menschen in den Tod, prallt an Red Bull ab. Felix Baumgartner springt schon seit 15 Jahren für die Firma – in Schluchten, von Bergen, Brücken oder vom höchsten Gebäude der Welt, den Petronas Towers in Kuala Lumpur. Ohne das Geld des Konzerns, das in die Sicherheit des Springers fließt, wären seine Sprünge wohl noch waghalsiger.
Verrückt ist der da oben, nicht die unten. Als Joe Kittinger 1960 mit seinem Ballon aufstieg, blies sich sein rechter Handschuh nicht auf. Er merkte es sofort. Als er oben ankam, war seine Hand bis auf das Doppelte ihres Volumens angeschwollen und zu nichts mehr zu gebrauchen. Er stieg trotzdem weiter und sprang. „Hätte ich das denen unten erzählt“, so Kittinger später, „dann hätten sie mir sofort befohlen, das Unternehmen abzubrechen.“ Das wäre ihm zu peinlich gewesen. (Frankfurter Rundschau)
In der Stratosphäre wirkt, anders als im Weltall, die Erdanziehung noch fast genauso stark wie auf der Erde. Was fehlt, sind die Wolken, die man passiert und die Berge, die immer näher kommen. Es fehlt auch der Wind, der einem um die Ohren rauscht. Es fehlt eigentlich alles hier, in 36 Kilometern Höhe. Unten sieht man eine Landkarte, oben einen pechschwarzen Himmel. Schwarz, weil es nichts gibt, worin das Sonnenlicht sich brechen könnte. Denn es fehlt hier auch die Luft.
Irgendwann in den nächsten Tagen oder im August will der 43-jährige gelernte Kfz-Mechaniker Baumgartner mit einem Heliumballon höher aufsteigen als jeder Mensch vor ihm. Alles ist minuziös geplant, nur der Tag nicht. Es muss wolkenlos und windstill sein, eine Bedingung, die vor allem im sommerlichen Arizona gegeben ist. Dort, in den USA, sind auch die Raumfahrtexperten konzentriert, die man dazu braucht. Aufsteigen wird der Extremsportler mit einer kleinen Raumkapsel, die unten am Ballon hängt. Dann, so haben es die Experten errechnet, wird es fünfeinhalb Minuten dauern, bis sein Fallschirm ihn fängt und später sanft in den Wüstensand von Arizona setzt.
Am 26. November 2005 erreichte der Inder Vijaypat Singhania in 21 027 Metern den Höhenrekord für Heißluftballons.
Der Japaner Shinichi Ito glitt am 24. September 2010 in einem Fledermaus-Anzug 16,4 Kilometer auf gerader Strecke durch die Luft, bevor er seinen Fallschirm öffnete.
Den Langstreckenrekord für Drachenflieger hält Manfred Ruhmer. Am 17. Juli 2001 war der Österreicher 700,6 Kilometer unterwegs.
Die längste Reise mit einem Motorgleitschirm unternahm der Kanadier Benjamin Jordan, der vom 15. Mai bis zum 24. August 2009 sein Heimatland überquerte und dabei 8008 Kilometer zurücklegte.
Paul Thacker aus den USA gelang am 26. März 2009 mit 91,7 Metern der weiteste Sprung mit einem Schneemobil von einer Rampe: Weltrekord.
Den höchsten Sprung ins Wasser von einem Brett wagte am 30. August 1987 der Schweizer Olivier Favre: 53,9 Meter.
Veljko Rogosic aus Kroatien schwamm im August 2006 in 50 Stunden und 10 Minuten 225 Kilometer quer durch die Adria - die längste an einem Stück im offenen Meer ohne Flossen geschwommene Strecke.
Der Schweizer Freddy Nock spazierte am 29. Januar 2011 beim höchsten Hochseillauf in 3303 Metern über dem Meeresspiegel 572 Meter weit über ein Seil.
Reinhold Messner war nach der Besteigung des Lhotse am 16. Oktober 1986 der erste Mensch, der alle 14 Achttausender bezwungen hatte. Er war 1978 auch der erste, der den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät bestieg und 1980 der erste, der den höchsten Berg der Welt im Alleingang bezwang.
Der Norweger Erling Kagge erreichte am 7. Januar 1993 nach 1400 Kilometern in 50 Tagen als erster Mensch allein den Südpol.
Schneller war sein Landsmann Christian Eide am 13. Januar 2011. Bei der schnellsten Soloreise zum Südpol ohne fremde Hilfe benötigte er auf Skiern 24 Tage 1 Stunde und 13 Minuten.
Der erste bestätigte Fußmarsch rund um die Welt waren die 23 250 Kilometer des Amerikaners David Kunst vom 20. Juni 1970 bis zum 5. Oktober 1974.
Der Brite Vincent Cox beendete die schnellste Fahrradtour um die Erde nach 163 Tagen, 6 Stunden und 58 Minuten am 1. August 2010. Dabei hatte er 29 331 Kilometer mit Pedalkraft zurückgelegt.
Hat das linke Bein schon Schallgeschwindigkeit erreicht, der Kopf von Felix Baumgartner aber noch nicht, geraten Druckwellen in Kollision. Dabei kann jedes Objekt, auch Baumgartner, gewaltig in Turbulenzen geraten. Besondere Sorge mache ihm die Wechselwirkung der Schockwellen, sagt Jonathan Clark, einst Chef der Raumfahrtmedizin beim Space Shuttle der Nasa. „Das ist die größte Unbekannte.“ Gleich wiegelt Clark aber wieder ab. Da oben ist die Luft so dünn, sagt Clark, dass der Durchbruch durch die Schallmauer wohl kein „übertriebenes Wagnis“ sei.
So wie Clark pendeln die Experten alle zwischen Sensation und Sicherheit, zwischen Beunruhigung und Beschwichtigung, wenn man sie zu den Risiken des Fluges befragt. Das ist ganz im Sinn des österreichischen Getränkekonzerns Red Bull, der das Unternehmen sponsert. Der Brausehersteller spielt professionell mit solchen Ambivalenzen. Es kann nichts, es könnte aber alles passieren: Das ist die Botschaft.
Fallen wie ein Ahornsamen
Schallgeschwindigkeit sollte Baumgartner mindestens erreichen. Verfehlt er sie, kommt er über den Rekord des US-Testpiloten Kittinger kaum hinaus, und der liegt schon mehr als 50 Jahre zurück. Schnell soll Baumgartner also schon fallen, doch nicht zu schnell. Dann nämlich wird der Mann zum Propeller und fällt wie ein Ahornsamen in immer schnelleren Umdrehungen zu Boden. „Dass Felix ins Trudeln kommt, ist eine reale Gefahr“, sagt Jonathan Clark. Passiert das, kann man nichts mehr tun. „Liegt die Achse der Drehung im Oberkörper, so sackt das Blut in die Füße, und er verliert das Bewusstsein. Liegt die Drehachse unten, könnten die Folgen Augen- und Hirnblutungen sein.“Ins Trudeln gekommen war einst Joe Kittinger bei einem Testflug. Er hatte Glück: Die Achse lag oben, und er kam nur bewusstlos auf der Erde an. Der tödliche „Red out“, wie Clark das nennt, blieb ihm erspart.
Es gibt zwei Rezepte gegen das Todestrudeln. Das eine ist eine gute Flugtechnik, wie Fallschirmspringer sie entwickeln. „Die hat Felix“, sagt Clark. Das andere Rezept ist ein kleiner Fallschirm, der über einem hängt und wie ein Stabilisierungsanker unter einem Schiff wirkt. Er bringt Ruhe in die Bewegung, verlangsamt den Fall aber auch leicht. Deshalb kommt er nur als Lebensretter zum Einsatz. Er wird automatisch ausgelöst, wenn Felix Baumgartner sich sechs Sekunden lang jeweils mehr als 3,5 Mal pro Sekunde um seine Achse dreht.
Zwischen Hitze und Kälte
Wie die Astronauten trägt Baumgartner einen Druckanzug. Reißt der Anzug an einer Stelle, beginnen Baumgartners Körperflüssigkeiten zu kochen; zuerst der Speichel, zuletzt das Blut. Mit dem Luftdruck sinkt der Siedepunkt bis weit unter Körpertemperatur. Schützen muss der Anzug auch gegen die Kälte. In 36 Kilometern Höhe ist es mit minus 23 Grad noch verhältnismäßig warm. Richtig kalt wird es beim Eintritt in die obere Schicht der Atmosphäre. Dort hält das Ozon das Sonnenlicht ab, zugleich wird kaum Wärme von der Erde zurückgestrahlt und die Temperatur sinkt auf minus 56 Grad. So kalt ist es, dass der Ballon spröde wird wie eine Christbaumkugel und dass er bei zu starkem Wind auch genauso zerplatzt.Der Ertrag des Fluges für die Wissenschaft wird eher bescheiden sein, auch wenn das so niemand sagen möchte. Hier und da wird etwas getestet – der Raumanzug oder Bewegungsabläufe für künftige Weltraumtouristen. Jonathan Clark verweist auf den Wert für die sogenannte Ferntherapie, bei der Arzt und Patient räumlich weit auseinander sind. Ein Monitorsystem unter Baumgartners Druckanzug versorgt die Kollegen am Erdboden mit allen nötigen Daten. Es kann auch von anderen Menschen „unter extremen Bedingungen“ genutzt werden, sagt Clark, von Extremsportlern, von Feuerwehrleuten oder beim Militär.
Drei Männer sind bei den gewagten Unternehmen des Sponsors schon ums Leben gekommen, zuletzt der Schweizer Basejumper Ueli Gagenschatz, als er vom Zürcher Sunrise-Tower sprang. Aber der Vorwurf, der Konzern treibe Menschen in den Tod, prallt an Red Bull ab. Felix Baumgartner springt schon seit 15 Jahren für die Firma – in Schluchten, von Bergen, Brücken oder vom höchsten Gebäude der Welt, den Petronas Towers in Kuala Lumpur. Ohne das Geld des Konzerns, das in die Sicherheit des Springers fließt, wären seine Sprünge wohl noch waghalsiger.
Verrückt ist der da oben, nicht die unten. Als Joe Kittinger 1960 mit seinem Ballon aufstieg, blies sich sein rechter Handschuh nicht auf. Er merkte es sofort. Als er oben ankam, war seine Hand bis auf das Doppelte ihres Volumens angeschwollen und zu nichts mehr zu gebrauchen. Er stieg trotzdem weiter und sprang. „Hätte ich das denen unten erzählt“, so Kittinger später, „dann hätten sie mir sofort befohlen, das Unternehmen abzubrechen.“ Das wäre ihm zu peinlich gewesen. (Frankfurter Rundschau)
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