Messner schimpft: "Disneyland am Mount Everest"
Nach dem tödlichen Bergsteiger-Drama am Mount Everest am vergangenen Wochenende warnen die Behörden in Nepal vor einem noch größeren Ansturm am kommenden Wochenende. Experten kritisieren einmal mehr den Massentourismus auf dem höchsten Berg der Erde, Bergsteiger-Legende Reinhold Messner (67) spricht von "Disneyland, was da betrieben wird".
"So lange jede 73-jährige Oma denkt, sie könnte den Mount Everest besteigen, wird es da oben auch Tote geben", schimpfte der erboste Extrem-Bergsteiger, der 1978 den Everst gemeinsam mit seinem Partner Peter Habeler erstmals ohne Sauerstoffmaske erreicht hatte, in Interviews mit dem Sender n-tv und dem Kölner "Express". Er sei selbst vor einigen Jahren zum König von Nepal gereist, um ihn für das Problem "zu sensibilisieren". Das sei jedoch zwecklos gewesen: "Die kassieren pro Tourist 10.000 Euro Genehmigungsgelder. Der König hat mir selbst gesagt: 'Wir brauchen das Geld.'"
Immerhin haben die nepalesischen Sicherheitsbehörden in Erwartung eines weiteren Ansturms von Bergsteigern auf den Everest jetzt massive Sicherheitsbedenken geäußert. Womöglich wird ein noch größeres Drama als das am vergangenen Wochenende befürchtet - vor allem, weil das Wetter unbeständig bleiben soll.
Tödlicher Stau
Trotzdem hätten sich rund 200 Bergsteiger für das kommende Wochenende angekündigt, sagte Gyanendra Shrestha, Mitarbeiter der nepalesischen Bergsportbehörde. Am vergangenen Samstag waren vier Menschen auf einer Tour am höchsten Berg der Welt ums Leben gekommen, darunter ein 61-jähriger deutscher Arzt.
Angesichts der unbeständigen Wetterbedingungen warnen die Behörden die Bergsteiger jetzt eindringlich vor einem Aufstieg auf den Mount Everest. Am vergangenen Samstag war es zu einem Stau auf dem Berg gekommen - was wohl den Tod der vier Bergsteiger mitverursacht hat.
Der Sprecher des nepalesischen Tourismusministeriums, Bal Krishna Ghimire, räumte indes ein, niemand könne die Bergsteiger daran hindern, den 8850 Meter hohen Gipfel zu erklimmen. "Wir haben Mitarbeiter in den Basislagern, aber letzten Endes sind die Bergsteiger selbst verantwortlich", sagte er. Seinen Angaben zufolge denkt die Regierung darüber nach, in Zukunft im Basislager Ärzte, Wetterexperten und Sicherheitskräfte zu stationieren.
Die Zahl der Todesopfer erhöhte sich derweil auf vier. Wie ein Sprecher der nepalesischen Bergwacht mitteilte, wurde die Leiche eines chinesischen Kletterers gefunden. Ein zunächst als vermisst gemeldeter Sherpa hingegen habe sicher das Basislager erreicht. Zuvor waren neben dem deutschen Arzt eine Kanadierin und ein Südkoreaner ums Leben gekommen. Shresthas Angaben zufolge starben sie offenbar an Erschöpfung und Höhenkrankheit.
Gute Bedingungen nur kurz
Die Saison für die Besteigung des Mount Everest dauert normalerweise von Ende März bis zur ersten Juni-Woche. Am Freitag und Samstag herrschten jedoch in diesem Jahr zum ersten Mal gute Aufstiegsbedingungen. Diese Gelegenheit wollten sich zu viele Berg-Touristen nicht entgehen lassen: Insgesamt etwa 150 Bergsteiger wagten am Samstag den Aufstieg auf den Gipfel.
Allerdings schloss sich das Zeitfenster bereits am Samstagnachmittag wieder - schneller als erwartet, weil ein Sturm in der Höhe wütete. Die Folge: "Es gab am Samstag einen Stau auf dem Berg", sagte ein Mitarbeiter der nepalesischen Bergsportbehörde. "Kletterer waren noch um 14.30 Uhr auf dem Weg zum Gipfel, was sehr gefährlich ist." Den Bergsteigern wird dringend geraten, einen Aufstieg nicht nach 11 Uhr zu beginnen. "Wegen des Staus mussten die Kletterer länger auf ihre Chance warten, den Aufstieg zu beginnen, und verbrachten zu viel Zeit in größerer Höhe", erklärte der Bergexperte weiter. Viele Bergsteiger hätten nicht ausreichend Sauerstoff bei sich gehabt, weil sie die Wartezeit nicht einkalkuliert hätten.
Der Everest-Experte und frühere Präsident der Nepalesischen Bergsportvereinigung, Ang Tshering, erklärte, die Regierung müsse die Zahl der Kletterer am Berg endlich begrenzen, sodass nicht zu viele an einem Tag den Aufstieg versuchten. Am Samstag hätten wahrscheinlich viele Kletterer beim raschen Aufstieg all ihre Energie verbraucht und hätten keine Reserven mehr für den Abstieg gehabt. "Das ist ein Grund dafür, dass einige Kletterer nach Erreichen des Gipfels zusammenbrechen", erklärte er.
Von Jahr zu Jahr schlimmer
Etliche Bergsteiger und Umweltexperten sind der Ansicht, dass die Aufstiegsbedingungen mit jedem Jahr schlechter würden. Möglicherweise sei der Klimawandel dafür verantwortlich. Der bekannte Expeditionsveranstalter Russell Brice hatte wegen der gefährlichen Umstände Anfang Mai seinen diesjährigen Aufstieg mit 60 Kunden abgesagt.
Seitdem Edmund Hillary und Tenzing Norgay 1953 erstmals den Mount Everest bestiegen, haben es seitdem knapp 4000 Menschen auf den Gipfel geschafft. Fast 250 Menschen sind in diesen 60 Jahren am höchsten Berg der Erde bereits ums Leben gekommen. Der bisher folgenschwerste Tag am Mount Everest war der 10. Mai 1996, als acht Menschen, darunter zwei erfahrene Bergführer kommerzieller Expeditionen, ums Leben kamen. Mehrere Bücher und zwei Filme berichten von diesem Tag
Auch damals starteten viele Kletterer ihren Aufstieg erst spät und gerieten am Nachmittag in einen Schneesturm. Seitdem wurde das Vorgehen kommerziell operierender Anbieter am Everest oft scharf kritisiert, nicht zuletzt von Bergsteiger-Legende Reinhold Messner. Geändert hat sich aber seitdem nicht viel. (Quelle:t-online)
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