Die große Reise

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Mittwoch, 12. September 2012

Olympia-Geschichte 1896-1912 - St. Louis 1904: Weltausstellung mit Anhang


St. Louis 1904: Weltausstellung mit Anhang

Doppelsieger im Hürdenlauf: Harry Hillman (USA/li.), beobachtet von Zuschauern aus ihren Fenstern in St. Louis © picture-alliance/ dpa
Exklusiver Blick: Zuschauer in ihren Fenstern beobachten die Hürdenläufer.
Wird man aus Schaden klug? Nicht bei Olympia in St. Louis. Die Fehler von Paris wiederholen sich. Wie vier Jahre zuvor verkommen die Spiele zum Anhängsel der Weltausstellung. Zwischen Ausstellungspalästen, Sehenswürdigkeiten und einer elektrisch betriebenen Kleinbahn: Olympia, zähe fünf Monate lang und von nur zwölf Nationen besucht. Lediglich 42 der 689 Athleten kommen nicht aus den USA. IOC-Präsident Pierre de Coubertin zeigt sich enttäuscht: Statt der erhofften "Internationalisierung" nur eine teils absurde Inszenierung der olympischen Idee. So sieht der Baron die von der völkerkundlichen Abteilung der Weltausstellung organisierten "Anthropologischen Tage" als Diskriminierung an: Wettbewerbe für ethnische Minderheiten - wie Steinwerfen, Schlammkämpfe und Baumstammklettern. De Coubertin zieht die Konsequenzen und reist gar nicht erst an.  

Weltrekord annuliert


Das Marathon-Drama von St. Louis

Start zum legendären Marathonlauf von St. Louis; von 32 Startern kommen nur 14 ins Ziel. © ullstein bild - KPA
Nur 14 der 32 Starter beim Marathon in St. Louis erreichen das Ziel.
Marathon-Experten sind die Macher der Spiele von St. Louis sicher nicht. Sie wollen eine "interessante" Strecke. Deshalb führt diese durch verschlungene Straßen, über staubige Sandwege - und über sieben Hügel. Das Thermometer zeigt 32 Grad im Schatten, als die 32 Läufer am helllichten Nachmittag starten. Nur 14 erreichen das Ziel, darunter mit Len Tauw und Jan Mashiani zwei Angehörige der Tswana aus dem Zululand. Als erste Afrikaner bei Olympischen Spielen beenden sie den Marathon auf den Plätzen neun und zwölf. Mashiani wäre wohl noch weiter vorne angekommen, hätten ihn nicht zwei Hunde während des Rennens durch ein Weizenfeld gejagt.

Von Zockern und Schwindlern

Der Kubaner Felix Carvajal hat schon vor dem Start eine Odyssee hinter sich: Dem nur 1,53 Meter kleinen Briefträger fehlt das Geld für seinen großen Traum - den Sieg bei einem Marathon. Das erläuft er sich bei unermüdlichen "Bettel" - Runden um das Rathaus von Havanna - und verzockt es nach der Ankunft in New Orleans. Bis St. Louis muss er deshalb wandern, fast 1000 Kilometer. Müde? Mitnichten! Ohne je zuvor einen Marathon gelaufen zu sein, wird Carvajal Olympia-Vierter.
Vermeintlicher Sieger ist der Amerikaner Fred Lorz. Dem Publikumsliebling hat  Präsidententochter Alice Roosevelt schon den Siegerkranz überreicht - da fliegt sein Schwindel auf: Lorz hatte nach Krämpfen bei Kilometer 14 schon aufgegeben und sich von einem vorbeifahrenden Wagen mitnehmen lassen. Als auch der Wagen den Geist aufgibt, rennt Lurz einfach weiter. "Nur, um den Jubel zu genießen", wie er später behauptet. Die Funktionäre glauben ihm nicht und belegen ihn mit einer lebenslangen Sperre.

Strychnin verleiht Flügel

Der spätere Sieger Thomas Hicks (USA) wird beim Marathon "erfrischt" - mit einem Cocktail aus Strychnin, Eigelb und Brandy. © picture-alliance / akg-images
Thomas Hicks kollabiert auf der Strecke, gewinnt aber trotzdem Gold.
Sieger wird deshalb Thomas Hicks. Der Amerikaner kommt nach drei Stunden und 28 Minuten ins Ziel, von Halluzinationen gepeinigt und von Helfern gestützt. Eigentlich hatte er schon lange aufgeben wollen, aber sein Trainer verabreicht ihm nach einem Kollaps auf den letzten Kilometern mehrfach einen Cocktail aus einem tausendstel Gramm Strychnin, rohem Ei und mehreren Schlücken Brandy. Solcherart "erfrischt", quält sich Hicks über die Ziellinie, wo ihn vier Ärzte behandeln. Mit sechs Minuten Rückstand wankt der Franzose Albert Coray fantasierend ins Ziel.


Der IOC-Präsident verpasst den ersten Zehnkampf der Olympia-Geschichte - mit Überraschungssieger Tom Kiely aus Irland. Hart: Alle zehn Disziplinen (damals: 100y, Kugel, Hoch, 880y Gehen, Hammer, Stabhoch, 120y Hürden, Gewichtwurf, Weitsprung und 1 Meile) werden am selben Tag absolviert. Von insgesamt 26 Leichtathletik-Goldmedaillen bleiben 24 in den USA. Auch beim neu ins Programm genommenen Boxen dominieren die Amerikaner. Sie belegen in allen sieben Gewichtsklassen die ersten Plätze. Gleich sechs Medaillen heimst US-Turner George Eyser ein - mit einem Holzbein. Der schier unglaubliche Weltrekord von 53,0 Sekunden seines Teamkameraden Harry Hillman über 400 m Hürden wird annulliert. Zum einen, weil Hillman die achte Hürde regelwidrig umgeworfen hat. Zum anderen, weil sämtliche Hürden die falsche Höhe aufweisen: Statt der vorgeschriebenen 91,4 sind sie nur 76 Zentimeter hoch.

Deutsche Schwimmer im Gold-Rausch

Emil Rausch (Berlin), zweifacher Olympiasieger 1904 in St. Louis über 440 und 880 Yards Freistil © ullstein bild - ullstein bild
Doppel-Olympiasieger Emil Rausch.
Die Deutschen kommen im Schwimmen mit viermal Gold in neun Wettbewerben groß heraus: Über 100 m Rücken gehen gleich alle drei Medaillen an Walter Brack, Georg Hoffmann und Georg Zacharias. Der Berliner Emil Rausch gewinnt über 880 Yards und eine Meile Freistil jeweils Gold und holt über 200 m Freistil Bronze. Ansonsten läuft in dem künstlich angelegten See einiges schief: Ein Floß muss als Startrampe herhalten, Sprungbretter sind morsch, und etliche Athleten "verschwimmen" sich auf dem Weg zum Ziel. (sportschau)

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