Olympia-Geschichte
Die Olympia-Geschichte von 1896 bis 2008
1896 kehrten die Olympischen Spiele an ihren antiken Ursprungsort zurück - nach Athen. In mehr als 100 Jahren haben die Spiele der Neuzeit viele Facetten gehabt. Lange hielten die "Herren der Ringe" am Amateurstatus fest, inzwischen ist Olympia jedoch eine hochkommerzielle Veranstaltung, an der vor allem Profi-Sportler teilnehmen. Ein Rückblick auf die Olympischen Spiele der Neuzeit von 1896 bis 2008.
Athen 1896: Ein weiter Weg zum Neuanfang
Es ist ein kurzer, weiter Weg "von Athen nach Athen". Für die Organisation der ersten Spiele der Neuzeit bleiben den Griechen nur zwei Jahre Zeit. Davon vergeht fast die Hälfte mit Gezänk um Geld und Kompetenzen. Erst als IOC-Präsident Pierre de Coubertin das griechische Königshaus zum Mitstreiter gewinnt, geht es voran. Millionär Georgios Averhoff ermöglicht mit einer Spende den Bau des Stadions. Den Spielen selbst fehlt allerdings viel von dem, was Olympia heute ausmacht: Es gibt keine Flagge, keine (Sportler-)Frauen, keinen Eid. In gerade einmal neun Sportarten - Fechten, Gewichtheben, Leichtathletik, Radsport, Ringen, Schießen, Schwimmen, Tennis und Turnen - gehen offiziell 241 Teilnehmer an den Start, manche davon in heute undenkbaren Kombinationen wie Tennis und Laufen oder Turnen und Ringen. Das Rudern wird wegen schlechten Wetters komplett abgesagt. Gesprungen wird aus dem Stand, geturnt in langen Hosen, und US-Leichtathlet Thomas Burke erregt mit seiner Tiefstart-Premiere beim Start zum 100-Meter-Lauf große Aufmerksamkeit.
USA spät, aber gut
Zum Sieg im Kurzsprint reichen dem Studenten aus Boston 12,0 Sekunden; über 400 Meter gewinnt er in 54,2. Erster Olympiasieger wird zuvor sein Teamkamerad James Connolly, der im Dreisprung über einen Meter Vorsprung vor dem Franzosen Alexandre Tufferi hat. Ohnehin stellen die Amerikaner - durchaus zum Unwillen der Gastgeber - die erfolgreichste Mannschaft, obwohl sie erst einen Tag vor Beginn eintreffen: Sie sind davon ausgegangen, dass die Spiele erst zwölf Tage später beginnen. Denn in Griechenland gilt für die Zeitrechnung noch der julianische Kalender. Dass die sportlichen Leistungen zum Teil weit hinter dem Stand der Zeit zurückstehen, ist für die revolutionäre Idee des Historikers und Pädagogen Coubertin nebensächlich: Seine Vision von geistiger und körperlicher Ertüchtigung, Internationalismus und Weltfrieden hat in Athen einen Ausgangspunkt gefunden - wenn auch nicht unumstritten.
Schuhmann Held der Spiele
Carl Schuhmann - Der "kleine Apollo"
Turnen, Leichtathletik, Gewichtheben und Ringen: So vielseitig wie Carl Schuhmann 1896 war seither kein deutscher Olympionike mehr. Und so erfolgreich schon gar nicht. Dabei wollte die Deutsche Turnerschaft (DT) erst gar nicht, dass ihr Mitglied Schuhmann nach Athen fährt. Coubertins Idee, mehrere Sportarten zu vermischen und zum "Internationalismus" beizutragen, ist aus Sicht der Turnerschaft skandalös. Schuhmann reist trotzdem. Mit vier Berliner Kollegen tritt der gebürtige Münsteraner bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit an - und siegt im Pferdsprung sowie mit der Reck- und Barren-Mannschaft. Das ist noch nicht alles: Schuhmann geht auch im beidarmigen Stoßen der Gewichtheber an den Start (wo er Dritter wird) und nimmt am Weit- und Dreisprung sowie am Kugelstoßen teil - wenn auch ohne Medaillenerfolg. Der Höhepunkt soll aber erst noch folgen - beim Ringen.
Klein, aber oho!
In der offenen Gewichtsklasse wirkt der nur 1,63 m große Deutsche mit seinen 68 Kilogramm geradezu schmächtig gegenüber seinem ersten Gegner, dem Briten Launceston Elliott, der zuvor das Ein-Hand-Gewichtheben gewonnen hat. Doch Schuhmann holt Elliott nach fünf Minuten mit einem Hüftschwung von den Füßen. Zwei weiteren Gegnern ergeht es ähnlich, und schon steht Schuhmann im Finale - gegen den Griechen Georgios Tsitas.
Das Publikum tobt. Einerseits will man einen griechischen Sieger sehen, andererseits feiert man schon den "kleinen Apollo", der erneut körperlich unterlegen scheint und deshalb auf eine Zermürbungstaktik setzt. Nach 40 Minuten scheint der Sieg für den Deutschen zum Greifen nahe, als der griechische König den Kampf mit Hinweis auf die einbrechende Dunkelheit abbricht. Seinen Landsmann rettet Seine Hoheit damit aber nicht: Am nächsten Tag braucht Schuhmann 25 Minuten, um den Griechen durch Oberarmzug auf die Schultern zu legen. Damit hat der kleinste Ringer den Wettbewerb gewonnen. "Sie sind der populärste Mann in Griechenland; Sie sind populärer als ich", gratuliert König Georg I. dem vielseitigen Deutschen.
Sieger ohne Gold
Schuhmann ist der erste deutsche Olympiasieger, eine Goldmedaille hält er allerdings nie in der Hand. Denn bis 1904 gibt es für Platz eins lediglich einen Ölzweig und eine Medaille aus Silber. Einige Jahre nach seinem Olympiasieg wandert der beliebte Athlet nach Großbritannien aus und wird dort Turnlehrer, während des Ersten Weltkriegs wird er interniert und organisiert Turnstunden für seine Mitgefangenen. 1919 lässt er sich endgültig in Berlin nieder. Seinen vielleicht wichtigsten Kampf verliert er. Während des NS-Regimes versucht er, Alfred Flatow, der mit ihm 1896 Olympiasieger wurde, vor den Nazis zu retten.Vergeblich. Flatow wird 1942 im KZ Theresienstadt ermordet. Schuhmann stirbt am 24. März 1946 im Alter von 77 Jahren in Berlin.
Marathon-Mann Spyridon Louis
Ein Mann - ein Mythos: Spyridon Louis erfüllt den Griechen ihren Traum vom Sieg im Marathon. Den Bauernsohn aus Maroussi umrankt bis heute eine Vielzahl Anekdoten. So verdankt Louis seinen Start beim Olympia-Marathon am 10. April 1896 mutmaßlich der Fürsprache seines ehemaligen vorgesetzten Offiziers beim Militär. Denn ein Ausscheidungsrennen zwei Wochen vor den Spielen hatte Louis lediglich als Fünfter beendet. In den Wettkampf geht der 23-Jährige, dessen Beruf als Wasserträger angegeben wird, als einer von 13 Griechen - in einem Teilnehmerfeld von 17 Athleten; Motto: Der Sieg bleibt unser.
Allerdings: Die vier auswärtigen Starter sind allesamt erfahrene Mittelstreckler; der Favorit Edwin Flack hat bereits den 800-Meter-Lauf gewonnen. Drei von ihnen setzen sich nach dem Start auch zunächst an die Spitze. Der Franzose Lermusiaux rennt so weit voraus, dass er schon lange vor dem Ziel von den Zuschauern zum Sieger gekürt wird - vorschnell, wie sich herausstellt, denn wenig später bricht er zusammen. Dann führt Flack, doch auch er kollabiert und scheidet aus. Damit ist der Weg frei für Louis, der den Lauf in 2:58:50 Stunden vor Landsmann Haralambos Vasilakos gewinnt - mit gut sieben Minuten Vorsprung und unter den Begeisterungsstürmen der mehr als 70.000 Zuschauer im Stadion, darunter Griechenlands Kronprinz Konstantin, der Louis auf den letzten Metern begleitet.
Golduhr und Pferdekarren als Lohn
Nach dem Rennen schenkt ihm eine Dame eine goldene Uhr, ein Beamter 20.000 Drachmen. Als Geschenk des Königs, bei dem er einen Wunsch frei hat, wählt Louis nach Darstellung seines gleichnamigen Enkels ein Pferd und einen neuen Karren für seine Arbeit. Seine Betreuer, die ihm nach dem Zieleinlauf die Beine massieren wollen, habe sein Opa dem Louis-Enkel zufolge bepöbelt: 'Was macht ihr da? Das ist eine Schande. Lasst mich hier raus, ich will nach Maroussi, um mit meinen Freunden zu feiern."
Als legendär gilt auch die Darstellung, Louis sei nach der Hälfte der Strecke in ein Wirtshaus eingekehrt, habe ein Glas Wein getrunken und angekündigt, alle noch vor ihm liegenden Konkurrenten zu überholen. Richtig sei, so der Enkel, dass es sich um ein Glas Cognac gehandelt habe, das ihm sein zukünftiger Schwiegervater an der Strecke angereicht habe. Fakt ist, dass Louis im März 1940 in seinem Heimatort Maroussi bei Athen starb. Fakt ist auch, dass das Athener Olympiastadion seinen Namen trägt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen