Berlin 1936: Owens siegt und siegt
Jesse Owens siegt, wann immer er startet und gewinnt vor allem die Herzen der Fans. Nicht nur durch seine phänomenalen Leistungen, sondern auch durch sein offenes und bescheidenes Auftreten: Mit dem Leipziger Weitsprung-Europarekordler Luz Long, dem der "Neger" nach den Plänen der Nationalsozialisten eigentlich unterliegen sollte, lümmelt sich Owens plaudernd im Gras. Im Wettkampf ist der US-Amerikaner allerdings unerbittlich: Seine Erfolgsserie beginnt über 100 Meter in 10,3 Sekunden. Gold Nummer zwei und drei sichert sich der Mann aus Alabama über 200 Meter (20,7 Sekunden/Weltrekord) und im Weitsprung (8,06 Meter). Auch das vierte Gold - über 4x100 Meter in 39,8 Sekunden - ist von einem Weltrekord gekrönt, den US-Boys erst zwanzig Jahre später verbessern können. Owens wird damit der erste Leichtathlet, der bei Olympischen Spielen vier Goldmedaillen holt.
Neu bei Olympia: Der olympische Fackellauf
Das olympische Feuer brennt bereits 1928 im Stadion. Der erste Fackellauf kommt 1936 zur Aufführung. Mit ihm soll ein Zeichen der Völkerverständigung in die Welt getragen werden. Carl Diem, Chef des Organisationskomitees der Spiele in Berlin, hat die Idee, das Feuer 1936 im griechischen Olympia entzünden und in die jeweilige Olympiastadt tragen zu lassen. Für NS-Propagandaminister Joseph Goebbels eine günstige Gelegenheit, mit der Verbindung von "Hellenentum" und Deutschem Reich die angebliche kulturelle Überlegenheit der Deutschen anschaulich zu machen. Der junge Grieche Konstantin Kondyllis macht am 20. Juli 1936 um 12 Uhr den Auftakt zu der 3.187 Kilometer langen Strecke durch sieben Länder (Griechenland, Bulgarien, Jugoslawien, Ungarn, Tschechoslowakei, Österreich und Deutschland). 3.330 Läufer folgen ihm, bis nach zwölf Tagen und elf Nächten Mittelstreckler Fritz Schilgen am 1. August die letzten Meter ins Olympiastadion von Berlin einläuft.
Symbolik, Rituale, Gesten
Das Feuer selbst ist allerdings keine Erfindung der Nazis. Erstmals brennt 1928 in Amsterdam ein Olympisches Feuer. Die Flamme wird während der zweiwöchigen Spiele auf einem eigens errichteten Turm am Leben gehalten. Seit 1936 hat jedes gastgebende Land der Staffette neue Elemente hinzugefügt, und oft wird das Flammen-Spektakel für symbolische Gesten genutzt:
Vor den ersten Olympischen Spielen nach dem Zweiten Weltkrieg (1948 in London) legt der griechische Soldat, der in Olympia startet, seine Uniform und seine Waffen ab - als Demonstration für den olympischen Frieden. In Tokio wird 1964 die olympische Flamme im Stadion von Yoshinori Sakai entzündet - geboren am Tag des Atombombenabwurfs über Hiroshima am 6. August 1945. 1976 kommt High-Tech ins Spiel: In Athen wird die Flamme in elektrische Signale umgewandelt und über einen Satelliten ins kanadische Ottawa übertragen, wo sie mit einem Laserstrahl wieder entzündet und nach Montreal weitergetragen wird. Seit den 90er Jahren wird der Fackellauf von weltweit operierenden Unternehmen gesponsert.
Muhammad Ali entzündet das Feuer in Atlanta
Mit Box-Legende Muhammad Ali entzündet 1996 in Atlanta erstmals ein Profisportler das olympische Feuer. 2004 führt die Route der olympischen Fackel erstmals "um die Welt": Vom 25. März bis zum 9. Juli macht das Feuer in 34 Städten Station, darunter in all jenen, die bisher Schauplatz Olympischer Spiele waren. Erstmals werden auch Lateinamerika und Afrika mit einbezogen. 2008 geht die olympische Flamme von Peking aus auf die längste Reise ihrer Geschichte gegangen: In 130 Tagen über 136.795 Kilometer durch 134 Städte auf fünf Kontinenten.
"Der Tod macht Urlaub"
Die "Jugend der Welt" zu Gast - für die nationalsozialistische Regierung ist Olympia in Berlin eine grandiose Möglichkeit zu Selbstdarstellung, politischer Verschleierung (am fünften Wettkampftag schickt Hitler Truppen nach Spanien, um Franco zu unterstützen und deutsches Kriegsmaterial zu testen) und Glorifizierung der "arischen Rasse". "Der Tod macht Urlaub" hatten ausländische Zeitungen bei der Vergabe der Spiele an Berlin noch sarkastisch getitelt. Doch auch Boykottbewegungen gegen das NS-Regime nach 1933 - vor allem in den USA - konnten die Spiele nicht verhindern. Zu verführerisch wirkte schließlich die perfekte Organisation der Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen. Die Folge: 1936 sind mehr Nationen als jemals zuvor im Olympia-Stadion versammelt, das in rund zwei Jahren aus dem Boden gestampft wurde - nebst "Reichssportfeld" nach antikem Vorbild. Die blonde Florett-Fechterin Helene Mayer, Olympiasiegerin von 1928, dient den Nationalsozialisten als Alibi - obwohl ihr 1933 noch als "Halbjüdin" das Stipendium entzogen wurde. Bei der Siegerehrung für ihre Silbermedaille entbietet Mayer den Hitlergruß.
Fernsehpremiere: 138 Stunden bewegte Bilder
Die Fernsehpremiere der Olympischen Spiele gelingt 1936 in Deutschland. Im Berliner Olympiastadion fangen vier Kameras bewegte Bilder von den Wettbewerben ein, die über einen (lokalen) Versuchssender in 28 Fernsehstuben nach Berlin, Leipzig und Potsdam übertragen werden. 160.000 Menschen schauen damals am Bildschirm zu. Jeden Tag werden etwa acht Stunden gezeigt, insgesamt beträgt das Volumen 138 Stunden. "Phantastische Leistungen vollbrachten Film und Kamera", heißt es in einem Olympiabuch von 1936. "Mit Ballon und Flugzeugen in der Luft, aus Erdlöchern heraus gegen die Beine der Springer, unter Wasser den Schwimmer verfolgend, den Läufer oder Ruderer auf einer langen Laufschiene begleitend (...), so jagten die schlicht grau gekleideten Gesellen der Schwarzweißkunst - von Tokio (angesprochen sind die geplanten Olympischen Spiele in Tokio 1940, d. Red.) wünschen wir uns selbstverständlich farbige Aufnahmen - hinter den sportlichen Ereignissen her (...)".
Schweißtreibende Schwerstarbeit
Die Pioniere des Fernsehens arbeiten unter abenteuerlichen Bedingungen. Den Sprechern steht kein Kontrollbild zur Verfügung, sie müssen also "blind" kommentieren. Da kann es leicht passieren, dass der Kameramann beim Versuch, den Reporter visuell "einzufangen", hinterherläuft. Als Kommentator Bley die Ankunft Adolf Hitlers im Olympiastadion verkündet, versetzt ihm Kameramann Bruch einen kräftigen Tritt ins Hinterteil. Die Bilder zum Kommentar zeigen nämlich nicht viel mehr als Hitlers Fußspitzen - und der Kameramann versucht, Bley auf diese Panne aufmerksam zu machen. Das Pannenbild hat einen schlichten Grund: Bruch kann dem buchstäblich vorauseilenden Kommentar mit der vier Zentner schweren Kamera nicht schnell genug folgen.
Wieder Gold für "Nurmi"
Am Ende tragen die Deutschen den Sieg in der Medaillenwertung davon: mit 33 Gold-, 36 Silber- und drei Bronzemedaillen deutlich vor den USA (24/20/12) - und trotz des Stabverlustes beim letzten Wechsel der weit in Führung liegenden deutschen 4x100-Meter-Staffelsprinterinnen. Vor allem die deutschen Turner zeigen sich mit einem Dutzend Mal Edelmetall in überragender Form. Japan und die USA dominieren wie in den Jahren zuvor den Schwimmsport. Und erneut gewinnt ein "Nurmi" Gold: Nicht der finnische Wunderläufer der 20er Jahre, sondern das Pferd des deutschen Military-Reiters Ludwig Stubbendorff, der in der Einzel- und Mannschaftswertung nicht zu schlagen ist. Die Olympia-Premiere im Basketball entscheiden die Amerikaner für sich. (sportschau)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen